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  • Autorenbildjomana.markau

Fahrradtour entlang des Canal du Midi zum Mittelmeer

Aktualisiert: 30. Aug. 2022

Von meinem letzten Stop in Malta ging es kurzzeitig zurück nach Deutschland. Ostern stand vor der Tür und die Feiertage wollte ich natürlich mit meiner Familie zusammen verbringen. Direkt im Anschluss an die Osterfeiertage war noch mehr family time geplant, denn für meine Eltern, meine Schwester, ihren Freund und mich ging es von Deutschland direkt nach Frankreich. Unsere einwöchige Radtour entlang des Canal du Midi von Toulouse bis zum Mittelmeer stand bevor.


Startpunkt Toulouse


Bevor wir fünf Tage lang fleißig in die Pedale treten sollten, starteten wir unsere Radtour mit einem Auftacktsumtrunk in Toulouse - die viertgrößte Stadt Frankreichs war unser Treffpunkt und Startpunkt für die Radtour. Am Sonntag, den 22. Mai, trudelten wir alle in unserem AirBnB ein und nach der üblich chaotischen Zimmerzuteilung ging es für uns in die Innenstadt. Wir wollten Toulouse anschauen. Übersetzt bedeutete das: sich einmal quer durch die französische Restaurant- und Barkultur testen. Nachdem die traditionell französische Cassoulet im Restaurant weniger gut bei uns abschnitt, war es an der Zeit in eine Bar weiterzuziehen. Uns zog es in Richtung des Flusses Garonne, wo es nur so von Bars und angeheiterten Franzosen wimmelte. Wir entschieden uns für die Bar mit der augenscheinlich besten Stimmung und den meisten Leuten, namens Chez Tonton und bereuten es nicht. Nachdem wir einen Meter Bier bestellt und getrunken hatten, kamen wir mit ein paar seeehr redseligen Franzosen ins Gespräch, die uns den legendären Pastis Schnaps anboten - ein Anis Schnaps, der für uns neu war und naja, etwas gewöhnungsbedürftig. Die freundlichen Franzosen jedenfalls waren große Fans von dem süßen Getränk (sie bestellten für ihre kleine Dreiergruppe einen ganzen Meter davon) und wurden nicht müde ihn mit uns zu teilen. So wurden wir immerhin in die französische Trinkkultur eingeführt und das Vorurteil, dass Franzosen Fremden gegenüber nicht aufgeschlossen seien, wurde somit auch direkt am ersten Abend galant beiseite geräumt.

2x Familie Markau in einem Bild - der Klassiker unter den Urlaubsbildern.

1. Etappe: Toulouse nach Castelnaudry

Länge: 80 km


Während unsere Mägen noch den Pastis von gestern Abend verdauten, präparierten wir nach einem ausgiebigen Frühstück unsere Räder für die erste Etappe. Zugegeben, das Wetter war mäßig stabil, aber wir waren alle so hyped, dass es endlich losging, da ließen wir uns von ein paar grauen Wölkchen nicht unterkriegen. Schnell wurde noch ein Gruppenfoto geknipst und auf ging’s. Wir radelten raus aus der Großstadt und nach ein paar Kilometern erreichten wir endlich den idyllischen Canal du Midi, der uns von nun an für fünf Tage begleiten würde. Zum Glück blieben wir auf der gesamten Strecke vom Regen verschont und so rollten sich die 80 Kilometer gut weg. Das ist definitiv der große Vorteil einer Radtour entlang eines Kanals - man muss so gut wie keine Höhenmeter zurücklegen. Der Nachteil: das Landschaftsbild bleibt stets recht ähnlich. Als wir im Zielort Castelnaudry einrollten und in unsere Unterkunft eincheckten staunten wir nicht schlecht. Die Unterkunft glich mit ihren schweren Möbeln, den hohen Decken und den unzähligen Ölgemälden mit dicken Goldrahmen einem Museum. Vor allem der Wohnzimmertisch, an dem wir später unseren Spieleabend verbringen wollten, verstärkte diesen Eindruck. Das Möbelstück war mit einer dicken Staubschicht bedeckt und hatte wohl schon länger keine Gäste mehr gesehen. Zumindest konnten wir nach dieser Nacht behaupten, dass wir wie Ben Stiller, eine Nacht im Museum verbracht hatten.


2. Etappe: Castelnaudry nach Carcassonne

Länge: 35 km


Bereits bei der Planung der Radtour freuten wir uns alle besonders über die Etappe, die heute anstand. Denn es ging nach Carcassonne! Unsere Begeisterung für diese Stadt rührt von dem gleichnamigen Gesellschaftsspiel, was meine Schwester und ich bereits als Kinder liebten und oft spielten (und ich meistens gewann). Der Name Carcassonne war für uns also bereits seit Kindheitstagen allgegenwärtig und heute sollten wir die Stadt endlich live erleben! Aber zuvor standen 35 Kilometer mit dem Fahrrad an - ein Klacks, oder? Nun ja, eigentlich schon. Fährt man aber, wie wir, bei strömenden Regen und Gegenwind ziehen sich die 35 Kilometer ganz schön hin. Frustration kam besonders bei allen auf, als sich nach gut 25 Kilometern kein Pausenplatz mit Unterstand finden lies und wir uns Schutz unter ein paar Bäumen suchen mussten. Haaach ja, so eine Pause unter einem regendurchlässigen Blätterdach gehört wohl zu jeder guten Radtour dazu. Aber wir hatten Glück im Unglück. Ein netter Bootsfahrer hatte das unter einem Baum stehende Elend beobachtet und holte uns spontan zu sich an Board, wo er uns unter seinen Pavillon Platz nehmen lies. Obendrein kochte er uns noch warmen Kaffee. Wir konnten unser Glück kaum fassen und mit neuer Kraft strampelten wir die letzten 10 Kilometer nach Carcassonne.

Bester Pausenplatz.

In unserer Vorstellung flanierten wir bei Sonnenschein mit wehenden Kleidchen durch die verwinkelten Gassen der Stadt. Die Realität sah dann folgender maßen aus: bewaffnet mit Regenmantel, Mütze (wahlweise auch Ritterhelm) und Regenschirm bahnten wir uns bei immer wieder aufkommenden Regenschauern unseren Weg durch Carcassonne. Zu blöd wenn man einen Regentag in der Stadt erwischt, die das Wort Sonne sogar im Namen trägt. Auch wenn das Wetter unseren Vorstellungen nicht entsprach, so ließen wir uns davon die Stimmung nicht vermiesen. Ganz im Gegenteil. Wir verbrachten einen sehr lustigen und schönen Tag in der Stadt. Den Abend konnten wir nur auf eine einzig logische Art ausklingen lassen: einem Spieleabend mit …na, welchem Spiel wohl? Klar, Carcassonne!


3. Etappe: Carcassonne nach Saint Marcel sur Aude

Länge: 68 km


Der dritte Tag unserer gemeinsamen Radtour war angebrochen. Alle Radfreunde da draußen wissen, was das bedeutete: ein schmerzender Po! Allein der Gedanke daran war nicht wirklich verlockend und ließ uns nicht gerade vor Freude aufs Rad springen. Da kam es doch sehr gelegen, dass uns unsere Gastgeberin vor der Abfahrt in Carcassonne mit einem üppigen Frühstück überraschte, was ganz und gar nicht typisch für Frankreich war. Bisher begnügten wir uns mit Baguette, Butter und Marmelade. Heute gab es Käse, Brötchen, Obst und mehr - was für ein Start in den Tag! Bestens für die schmerzlichste aller Etappen gewappnet, ging es los in Richtung Saint Marcel sur Aude. Sogar das Wetter war uns heute wohlgesonnen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir wurden mit Sonne pur verwöhnt und obendrein trieb uns der Rückenwind mit rasanter Geschwindigkeit unserem heutigen Etappenziel entgegen. Es lief so gut, dass wir eine Alternativroute einschlugen und den Kanal verließen. Würde man immerzu dem Kanal folgen, würde es schnell monoton werden. Die Alternativroute führte uns durch grüne Weinhänge - eine willkommene Abwechslung. Angekommen in Saint Marcel sur Aude zeigte uns die neue Gastgeberin unsere Zimmer und stellte uns das absolute Highlight der Unterkunft vor: ihren Hund! Als große Hundeliebhaber stehen bei uns Unterkünfte mit Vierbeinern immer ganz hoch im Kurs und Lulu, der kleine Hund, war über die vielen Streicheleinheiten auch nicht böse.


4. Etappe: Saint Marcel sur Aude nach Montels

Länge: 20 km


Unser heutiges Etappenziel hieß Montels - ein winzig kleines Örtchen. Und winzig klein war auch die Strecke, die wir heute fuhren. Schlappe 20 Kilometer. Heute war Chilltag und das bedeutete, dass wir uns auf dem Weg besonders viel Zeit lassen konnten. Wir legten Zwischenstops bei einem kleinen Café, ein paar netten Eseln und einem hübschen Weinshop ein. Quizfrage: Wer zog das große Los und durfte anschließend die gekauften Weinflaschen transportieren? Tipp: Keiner der anderen vier Sportsfreunde. Am frühen Nachmittag kamen wir in unserer Unterkunft in Montels an und nahmen den Chilltag sehr ernst. Der eine legte sich in die Hängematte, die anderen an den Pool. Abends wollten wir unsere neu erstandenen Weine verkosten und das beste Setting dafür war gegeben: ein lauer Sommerabend, selbstgemachte Pasta … und das Germanys next Topmodel Finale. Was soll ich sagen? Meine Schwester und ich sind, zum Leidwesen der anderen, große Fans dieses Formats. Es ist anspruchslos und platt aber leider sehr unterhaltsam. Also machten wir es uns auf der Terrasse bequem und versammelten uns zu fünft um mein Smartphone, denn eine Verbindung zum Laptop konnte nicht hergestellt werden, und schauten das Finale. Eine wahre Sternstunde der abendlichen Urlaubsgestaltung.


5. Etappe: Montels nach Agde

Länge: 49 km


Die finale und gleichzeitig schönste Etappe des Urlaubs stand heute bevor. Unser Ziel, das Mittelmeer, konnten wir praktisch schon riechen und der Rückenwind war auch heute unser treuer Begleiter. Die Strecke entlang des Kanals wurde abwechslungsreicher. Wir kamen an einer der Attraktionen des Radweges vorbei - den 9 Écluses de Fonseranes, eine neunstufige Schleusentreppe, die augenscheinlich auch ein sehr beliebtes Ausflugsziel der Franzosen war, denn dort war ganz schön was los. Ein paar Fotos später ging es für uns weiter. Von nun an säumten Pinien den Radweg. Der Duft der Pinien trug uns bis zum Mittelmeer. Wellenrauschen, Pinienduft, Sandstrand, Sonne pur. Sobald wir den ersten Strand sahen konnten wir nicht anders und mussten eine Pause einlegen. Die Mittagssonne brutzelte mit 29°C auf uns herab und kein Schatten war in Sicht. Als Hauttyp II schmolz ich praktisch dahin. Es musste eine Schattenquelle her, also wurde ich erfinderisch und baute mit vier Stöcken und einer Jacke einen Unterstand. Tom Hanks wäre froh gewesen auf einer einsamen Insel mit jemanden wie mir gestrandet zu sein. Mein handwerkliches Geschick war definitiv ausgeprägter als das eines alten Volleyballs.

Nachdem wir uns ausgiebig am Strand vergnügt hatten nahmen wir die letzten 10 Kilometer in Angriff. Auf zu unserem letzten Ziel! Auf nach Agde, wo der Canal du Midi im Salzwasser mündet.


 

252 Kilometer hatten wir nun auf dem Rad zurückgelegt - darauf musste angestoßen werden. Wir reservierten ein Plätzchen in einem schicken Lokal direkt am Strand, aßen, tranken, ließen den Urlaub Revue passieren. Auf eines konnten wir uns alle einigen: der Urlaub was so schön, dass er viel zu kurz war. Und so quatschten wir schon über die Planung der nächsten Radtour. Vielleicht eine erneute Tour in Frankreich, aber dieses Mal in den Norden entlang der Seine? Wir werden sehen. Für unsere Familie hieß es erst einmal Abschied nehmen, denn jeder würde morgen wieder seiner Wege gehen. Meine Reise sollte im Südosten Frankreichs fortgesetzt werden - ein neues Volunteering-Projekt stand an.

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