Neuseeland. Mein Kindheitstraum, mein größter Sehnsuchtsort. Wie lange träume ich bereits von einer Reise ans andere Ende der Welt? Das kann ich ohne Umwege beantworten. Seitdem ich die Herr der Ringe-Trilogie mit meinem Papa gemeinsam im Kino gesehen hatte, bin ich nicht nur Fan der Fantasy-Reihe, sondern auch der einzigartigen Kulisse verfallen, in der die Filme gedreht wurden. Das ist gute zwanzig Jahre her. Kein Wunder, dass ich kurz vor Abflug nach Neuseeland sentimental wurde. Jetzt geht’s los. Neuseeland, ich komme!
Ich entschuldige mich bereits vorab für den Überfluss an der Herr der Ringe Anspielungen in diesem Blogbeitrag. Sollte es jemandem missfallen, dem kann ich nur raten: Flieht, ihr Narren.
I'm going on an adventure.
Bevor das Abenteuer Neuseeland starten konnte, musste ich erst mal beim Layover in Kuala Lumpur sage und schreibe 18 Stunden totschlagen. Ja, man hätte die Zeit sicherlich nutzen können, um einen Schlenker durch die Hauptstadt Malaysias zu drehen, aber ich bin leider ein kleiner Angsthase, wenn es darum geht, den Flughafen bei Zwischenstopps zu verlassen. Glücklicherweise bot der moderne Airport einige Annehmlichkeiten, und so fand ich direkt ein bequemes Plätzchen auf einem Sessel, wo man gut die Beine hochlegen, die Augen zumachen und sich mit dem der Herr der Ringe Soundtrack auf die bevorstehende Reise einstimmen konnte.
Ich hatte einen halb garen Plan für meine Zeit in Neuseeland ausgetüftelt. Zunächst wollte ich auf einer Farm als Volontärin mit anpacken, um im Land anzukommen und Fuß zu fassen. Diese Methode hat sich auf meiner bisherigen Reise bewährt. Freiwilligenprojekte zu unterstützen und gleichzeitig Kontakt zu den Einheimischen zu knüpfen ist für mich nach wie vor der richtige Weg, um ein Land auf eine ganz besondere Weise kennenzulernen. Über meine altbewährte Reiseapp Workaway habe ich im Voraus Kontakt zu einer Hobbyfarm aufgenommen, die auf der Nordinsel in der Nähe von Auckland ein ganz spezielles Zuchtrind halten: die sogenannten Highland Cattle Cows (Schottische Hochlandrinder) oder wie ich sie nennen würde: die knuddeligsten und süßesten Kühe auf diesem Planeten! Ich war schon ganz gespannt, wie das Leben und die Arbeit auf der Farm wohl sein würden. Der Plan war, drei bis vier Wochen auf der Farm zu bleiben und sogar Weihnachten und Silvester mit meiner neuen Gastfamilie zu verbringen, weshalb ich inständig hoffte, dass sie mich wohlwollend bei sich aufnehmen und ich mich bei ihnen wohlfühlen würde. Nach meiner Zeit auf der Highland Cattle Farm hatte ich mir in den Kopf gesetzt, einen Job auf einer Kiwifarm zu ergattern, um meine Reisekasse etwas aufzubessern. Zeit wird’s.
Nach einem langen Layover und einem ebenso langen Anschlussflug war ich zwar etwas erschöpft, doch als plötzlich der Landeanflug nach Neuseeland angekündigt wurde, war ich putzmunter. Der Anblick von hoch oben war wunderschön! Bereits der Anflug rührte mich zu Tränen, da ich die ganze Zeit denken musste: „Es passiert wirklich! Ich lande gleich in Neuseeland.“
The Hobbit has arrived.
Die Herzlichkeit der Kiwis, wie sich die Einheimischen Neuseelands selbst nennen, wurde mit meiner Ankunft am Flughafen Aucklands unter Beweis gestellt. Denn während ich mich bei anderen Farm Stays stets auf eigene Faust zur Unterkunft durchschlagen musste, holte mich mein neuseeländischer Host Dad namens Martin direkt vom Flughafen ab. Was für ein Service! Auf der Autofahrt in Richtung Farm konnte ich meine Augen nicht von der grünen Landschaft mit den unzähligen Farnen lassen. Selbst ein paar Wasserfälle konnte ich auf der 40-minütigen Autofahrt bestaunen. Auf mich wirkte die an mir vorbeirauschende Natur frisch, gesund und durch die dichten Wälder etwas mystisch.
Nachdem ich anderthalb Monate im tropischen Sri Lanka verbracht hatte, wo das Leben ursprünglich und laut war, bunt und chaotisch, hatte ich plötzlich eine Art Reverse-Kulturschock. Neuseeland war das komplette Gegenteil. Alles schien sehr aufgeräumt und sauber, sehr westlich und geordnet. Als wir in die Auffahrt zur Farm abbogen, die von grünen Hügeln umsäumt war, staunte ich nicht schlecht. Ein modernes Holzhaus mit kilometerweiten Blick in die grüne Weite Neuseelands hinein sollte mein Zuhause für die kommenden Wochen sein. Wow! Ich kam mir vor, als wäre ich direkt in Hobbiton gelandet. Es fehlten nur noch die vielen kleinen Hobbithöhlen.
An der Haustür wartete bereits Cass, meine freudestrahlende Host Mom, auf mich. Neben ihr stand Laura, eine weitere Volontärin, die bereits seit zwei Wochen auf der Farm half und ebenso aus Deutschland kam. Ich bin immer froh über ein wenig Gesellschaft von Gleichgesinnten, zumal Laura und ich uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Als ich ins Haus eintrat, wurde ich von einem lauten Gebell und zwei zuckersüßen Labradoren begrüßt.
Lily und Skye sollten nicht die einzigen beiden Labradore bleiben, mit denen ich in den kommenden Wochen das Vergnügen haben würde. Wie ich herausfand, betrieben Cass und Martin neben ihrer Highland Cattle Hobbyfarm auch eine Hundepension. Eine sehr exklusive Hundepension. Denn sie war ausschließlich für Labradore vorgesehen, was ich äußerst witzig fand.
Alle schienen sich sehr über meine Ankunft zu freuen, was mich aufatmen ließ. Ich fühlte mich mit meinen Gasteltern als Hosts und Laura als Zimmergefährtin sehr wohl. Sie ließen mich in Ruhe ankommen und auspacken. Da ich eh etwas überrollt war von all den Eindrücken, wo der Jetlag sicherlich auch einen Teil zu beitrug, war ich froh, etwas durchatmen zu können. Die große Gartentour inklusive Vorstellung aller Tiere sollte morgen erfolgen.
It is no bad thing to celebrate a simple life.
Am nächsten Morgen strahlte ich beim Blick aus dem Fenster bis über beide Ohren. Der Nebel schwaderte um 8:00 Uhr morgens in den Hügeln und ich konnte einen ersten Blick auf die Highland Cattles erhaschen, die als kleine Punkte in der Ferne genügsam und ruhig vor sich hin grasten.
Ich war bereit für die angekündigte Gartentour. Wobei "Garten" die Untertreibung schlechthin ist. Ein Wald, zwei Teiche, ein Bach und etliche Quadratkilometer an Weidefläche gehören zu der Farm. Darum machten wir die Tour nicht zu Fuß, sondern setzten uns dafür ins Quad, um alle Ecken zu erkunden. Da es an dem Tag doch etwas frisch war, setzte mir Cass kurzentschlossen eine ihrer pinken Pudelmützen auf den Kopf. Sehr hübsch war sie nicht. Egal, dachte ich mir, schließlich ist es auf einer Farm nicht wichtig, wie man aussieht. Naja, da hatte ich die Rechnung ohne Cass' paparazziartigen Fotoüberfälle gemacht. Sie wollte jeden meiner Schritte unbedingt per Foto festhalten. Schafe füttern? Knipps! Kühe streicheln? Knipps! Mit Hund am Teich sitzen? Knipps! Keine Gelegenheit wurde ausgelassen, um Fotos zu schießen. Sehr süß eigentlich, nur fühlte ich mich mit meiner Kombination aus grüner Regenjacke, unförmiger Latzhose und pinker Pudelmütze nicht sehr fototauglich. Egal, das Best-Of meiner modischen Gartentour gibt's hier einmal für alle zu sehen.
Während wir über die Hügel hinwegdüsten, erklärte mir Cass meine künftigen Aufgaben auf der Farm. Besonders die Pflege der Highland Cattles lag in meiner Verantwortung. Sprich: Füttern, Umweiden und Bürsten der Tiere. Warte kurz. Bürsten? Ja, ganz richtig. Da die Kühe ein besonders fluffiges, langes Fell besitzen, ist es wichtig, die Zotteln regelmäßig ordentlich durchzukämmen. Als wir schließlich bei den Kuhweiden stoppten, wurde mir schon anders zumute. Ganz schön große Hörner hatten sie. Und überhaupt wirkten die Kühe, die heute Morgen noch kleine Punkte am Horizont waren, plötzlich sehr mächtig. Cass gab mir ein kleines Training, was ich im Umgang mit den Tieren zu beachten hatte. Die großen Hörner können zwar einschüchternd wirken, jedoch waren alle Kühe zutraulich und mit Menschen aufgewachsen. Es waren liebe Geschöpfe, die ich schnell in mein Herz schloss.
The wide world is all about you: you can fence yourselves in, but you cannot forever fence it out.
Schon bald traute ich mich auch an den 700 Kilo Bullen namens Charly.
Vorsicht war dennoch immer geboten - auch mit den kleinsten Highland Cattles. Die Babys brauchten besonders viel Zuneigung und Training. Um sie zutraulich zu machen, stand jeden zweiten Tag ein Halftertraining an. Dabei war es wichtig, Ruhe zu bewahren und möglichst schnell das Halfter um die Köpfe der Kleinen zu legen. Am Anfang etwas beängstigend, da die Babys viel unkoordinierter mit ihren Mini-Hörnern umgehen und man sich häufig vor ihren ruckartigen Bewegungen erschreckt. Anschließend wurden sie immer ausgiebig gebürstet. So sollten sie handzahm gemacht werden. Tatsächlich stellte ich nach ein paar Wochen einen Fortschritt mit einigen der kleinen Highland Cattles fest, was mich richtig freute. Eine Babykuh musste jedoch erst gar nicht gezähmt werden. Sein Name war Jingle. Mehr Hund als Kuh. Er war dermaßen anhänglich und zuckersüß, dass es einem fast das Herz brach zu sehen, wie er die Gesellschaft von Menschen gegenüber der Gesellschaft seinesgleichen vorzog. Als kleiner Einzelgänger stand er häufig allein auf weiter Flur, abgeschieden von den anderen Kühen. Umso schöner war es, wie freudig er auf einen zu hoppelte, wenn man über die Weide auf ihn zulief.
Neben den Kühen gab es noch andere Tiere, um die sich auf der Farm gekümmert werden musste. Wenn man eins über die Neuseeländer weiß, dann, dass sie ihre Schafe über alles lieben. Nicht umsonst ist gemeinhin bekannt, dass Neuseeland mehr Schafe als Einwohner hat. Auch Cass und Martin hatten zwei Schafherden, die regelmäßig auf die Krankheit namens Flystrike untersucht werden mussten. Im Deutschen trägt sie den appetitlichen Namen Fliegenmadenfraßkrankheit. Achtung nichts für schwache Nerven: Angelockt durch Fäkalien, die sich im Fell verfilzen, legen Fliegen ihre Larven auf den Tieren ab, die sich dort vermehren und sich in die Haut der Schafe fressen. Keine schöne Sache, vor allem nicht für die Tiere. Nur ist das Fiese beim Flystrike, dass es von heute auf morgen passieren kann. Das hieß für uns: Schafe eintreiben und Kacka vom Popo schneiden. Nur so konnte die Ausbreitung vermieden werden.
Als ich am Schafspopo hängend etwas unwürdig die Fäkalien wegschnitt, musste ich in mich hineingrinsen. Noch vor Kurzem echauffierte ich mich über eine pinke Pudelmütze und sieh mich einer heute an. Willkommen im Farmleben.
Aber es gab auch durchaus erfreulichere Momente mit den Schafen. Eines Tages kam der Schafscherer zu Besuch. In Neuseeland ist das ein eigenständiger Beruf, der sehr gut bezahlt wird. Unseren Schafen ging es ans Fell! Mit geschickten und geübten Handgriffen schnappte sich der Schafscherer ein Schaf nach dem anderen und ratzfatz war die Matte ab. Erstaunlich war, dass die Schafe erst bockten, doch sobald sie auf den Rücken lagen, keinen Mucks mehr von sich gaben. Ganz entspannt lagen sie dann da und ließen die Prozedur über sich ergehen. Mit großen Augen betrachtete ich das Spektakel, als der Schafscherer mich plötzlich fragte, ob ich nicht auch mal mein Können an der Schermaschine unter Beweis stellen will. Diese einmalige Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen. Wenn schon in Neuseeland, dann muss man wenigstens einmal ein Schaf geschoren haben.
Sehr geschickt stellte ich mich im Vergleich zum Profi nicht an. Bei mir dauerte es zehnmal länger, aber was solls. Spaß hat es allemal gemacht. Bis dato ging ich immer davon aus, dass Schafsfell einzig und allein zur Wollproduktion für Strickmode verwendet wird. Doch Martin klärte mich später auf, dass man mit den Massen an Schafsfell, die es in Neuseeland gibt, einen XXL Pulli für die Insel selbst stricken könnte. Darum wurden die Neuseeländer erfinderisch und nutzen die Wolle als Dämmmaterial für ihre Häuser oder zum Frostschutz für junge Bäume.
All we have to decide is what to do with the time that is given us.
Meine beiden Gasteltern waren sehr darauf bedacht, dass das Vergnügen neben der Arbeit nicht zu kurz kam. Besonders Cass animierte uns ständig zu allerlei Aktivitäten. Besonders eine Aktivität sollte Laura und mir im Gedächtnis bleiben.
Während es seit Tagen regnete, wuchs in uns der Wunsch nach einer abenteuerlichen Unternehmung. Wir wollten raus. Laura hatte von anderen Backpackern von dem Pinnacles Hike gehört - einer sechsstündigen Wanderroute, die nicht unweit von der Farm entfernt startete. Wir warteten ein paar Tage ab und hofften auf einen Tag mit Sonnenschein. Aber nein, der blieb uns verwehrt. Dann mussten wir also ein paar Regentropfen in Kauf nehmen. Ausgestattet mit Regenjacke und Regenhose, ein paar Sandwiches und Wasserflaschen ging es für Laura und mich los. Was soll ich sagen? Die paar Regentropfen entwickelten sich zu einem monsunartigen Regenfall. Plötzlich kam uns unser Unterfangen wahnwitzig vor und wir verteufelten uns selbst dafür, diesen Tag für einen sechsstündigen Hike ausgesucht zu haben. Nachdem wir bis zur Unterhose durchnässt waren, die Wanderwege vielmehr dahinplätschernden Bächen glichen und wir teilweise wadentief im Wasser versanken, mussten wir einfach nur noch über die Absurdität der Situation lachen. Von nun an stapften wir fröhlich und mit quietschenden Sohlen weiter. Glücklicherweise war Laura auch ein großer der Herr der Ringe Fan, wodurch die sechs Stunden mit allerlei Wissensaustausch zu den Filmen gefüllt wurden. Das lies uns die Kälte und Nässe ein wenig vergessen.
Generell wollte das Wetter einfach nicht auf unserer Seite sein. Es regnete und regnete. Vielleicht erinnern sich einige an die Bilder, die Anfang des Jahres um die Welt gingen und ein überflutetes Auckland zeigten. Die Regenfälle waren immens. Obwohl ich ein bisschen Regen hier und da sogar sehr mag und gemütlich finde, fühlte ich mich regelrecht um meinen neuseeländischen Sommer betrogen. Sollte nicht vielmehr die Sonne scheinen? Doch sie ließ sich einfach nicht blicken. Da bei Regen die Arbeit mit den Tieren nur auf das Minimalste zurückgeschraubt wurde, musste eine andere Beschäftigung her. Und so entdeckte ich mein Talent als Chocolate Chip Cookie Bäckerin. Gut jeden zweiten Tag stellte ich mich in die Küche und backte drauf los, denn die Cookies hatten keine lange Überlebensdauer. Das nahm ich als Kompliment. Doch irgendwann wurden wir der Chocolate Chip Cookies überdrüssig. Da kam uns der Besuch einer guten Freundin von Cass und Martin gelegen, die mit einer neuen Rezeptidee um die Ecke kam: New Zealand Lime Cookies. Lecker! Sie wurden zu dem neuen Dauerbrenner und lösten die Cocolate Chip Cookies in der Beliebtheitsskala ab. Im Nachhinein denke ich, dass ich mit dem Plätzchenbacken versucht habe, mein Heimweh zu kompensieren. Kein Wunder. Weihnachten stand vor der Tür und bei meiner Familie in Deutschland wurde die Weihnachtszeit stets mit einem Plätzchenbackmarathon eingeleitet, der ein ganzes Wochenende andauert. Die Vorweihnachtszeit lies mich etwas melancholisch werden und meine Familie vermissen. Aber ich lies den Kopf nicht hängen und war dankbar für das zweite zu Hause, was mir Cass und Martin boten. Außerdem freute ich mich stets über die glücklichen Gesichter, wenn ich wieder ein frisch gebackenes Plätzchenblech auf den Tisch stellte. Das Rezept der leckeren New Zealand Lime Cookies will ich natürlich niemandem vorenthalten. Und Bitte:
Und schließlich war es so weit: Der Weihnachtstag war gekommen. Allerlei Familie, ehemalige Workawayer und Pensionshunde trudelten bei uns auf der Farm ein.
Ich hatte mich bereits darauf eingestellt, dass es eine ganz neue Erfahrung werden würde, Weihnachten in Neuseeland zu feiern und nahm mir fest vor, mich darauf einzulassen. Weihnachten mal anders, so war das Motto. Zu unser aller Überraschung schob sich die Sonne vor die sonst so trüben Wolken und heiterte die Stimmung auf. Aus dem eigenen Garten wurde kurzerhand eine Tanne gefällt. Provisorisch dekorierten wir unseren Weihnachtsbaum mit einer roten Girlande und befestigten sie in einem Blumentopf mithilfe von Steinen, die wir im Garten fanden. Nicht gerade German-approved, aber sie hielt. Der BBQ-Grill wurde angeschmissen, wir versammelten uns um einen großen Tisch auf der Terrasse, tranken Cocktails, aßen Snacks und wenn wir nicht aßen oder tranken, kuschelten wir mit den Hunden - Pardon, Labradoren.
Not all those who wander are lost.
So, nun aber zu meinen absoluten Highlights während meiner Zeit auf der Farm. Ich hatte bereits in diversen Reisepodcasts über Neuseeland gehört, dass es auf der Nordinsel eine tolle Höhle geben soll, wo es nur so von Glühwürmchen wimmelt: Der Waitomo Glowworm Cave. Dieser war meinen Gasteltern natürlich ein Begriff, wurde aber prompt als Tourifalle von ihnen abgestempelt. Cass erzählte mir von einer Höhle, die viel unentdeckter und unberührter sei, fragte mich im selben Atemzug aber auch, ob ich klaustrophobisch sei. Nachdem ich verneinte, leitete sie alles in die Wege und fuhr mich ein paar Tage später zum Nikau Glowworm Cave. Ein super idyllischer Ort, fern ab von abgetretenen Touri Pfaden. Tatsächlich war ich die einzige Touristin, die an der Tour partizipierte. Die anderen fünf Teilnehmer waren Neuseeländer.
Leider war es strickt verboten, Fotos in der Höhle zu machen, darum versuche ich das Erlebnis möglichst anschaulich mit meinen eigenen Worten zu beschreiben.
Ich war richtig hibbelig, als wir ausgestattet mit Taschenlampe und Helm gute zwei Kilometer in Richtung Höhleneingang wanderten. Als wir immer weiter ins Dunkel liefen, hielt der Guide plötzlich vor einer Felswand an und leuchtete mit seiner Taschenlampe auf dem Fußboden in ein tiefes Loch. „This way.“ Sagte er bestimmt. Er meinte, es kommt nun ein Part, der ziemlich eng sei und wir gut hundert Meter kriechen müssten. Als ich in das Loch hinabglitt, landete ich in einem langen, verwinkelten und sehr, sehr engen Tunnel, den man nur bäuchlings bezwingen konnte. Also robbte ich eine Weile hinter dem Guide her und mir wurde bewusst, weshalb Cass mich zuvor fragte, ob ich klaustrophobisch sei. Den Hinweis, dass die Tour kein Spaziergang war, hatten die anderen Neuseeländer wohl nicht erhalten, da ich hinter mir nur ein lautes, andauerndes Schluchzen hörte. Der Guide schien emotionale Ausbrüche bei diesem Abschnitt gewohnt zu sein, denn es juckte ihn einfach gar nicht. Aber alle überstanden letztendlich den Krabbelabschnitt und schließlich wurden wir mit einem umwerfenden Anblick belohnt. Wir befanden uns in einer, wie der Guide es nannte, natürlichen Kathedrale, die über Jahrtausende vom Wasser geformt wurde. Eine gigantisch große Höhle voll mit Stalaktiten und Stalagmiten. Nachdem wir viele OOOHs und AAAHs zum Ausdruck gebracht hatten, sollten wir plötzlich unsere Taschenlampen ausmachen. Der Anblick im Dunkeln war noch beeindruckender und entlockte uns abermals viele OOOHs und AAAHs. Überall glimmten kleine Glühwürmchen und erhellten mit ihrem Licht die ganze Höhle. Wie Sterne funkelten sie auf einen herab. Ein wunderschönes und zugleich abenteuerliches Erlebnis, aber definitiv nix für Klaustrophobiker.
Even darkness must pass. A new day will come. And when the sun shines it will shine out the clearer.
Ok, ok, der Glowworm Cave war wirklich ein Highlight, aber das eigentliche Highlight sollte noch kommen: Hobbiton! Bevor jetzt alle, die keine der Herr der Ringe Fans sind, gähnend den Blogbeitrag schließend: einfach das Bla Bla überspringen und bis zu den Bildern weiterscrollen. Vielleicht wird die der Herr der Ringe Euphorie ja doch noch in dem ein oder anderen Muffel geweckt. Für alle anderen: Hier kommt die emotional-überschwängliche Kurzfassung meines Ausflugs nach Mittelerde.
Den Wunsch, Hobbiton zu besuchen, hege ich bereits seit über zwanzig Jahren. Für mich spiegelt die hügelige, grüne Landschaft mit ihren grummeligen, aber doch liebenswürdigen Bewohnern eine Idylle und Friedlichkeit wieder, die ihresgleichen sucht. Da die Filme suggerieren, dass in Hobbiton rund um die Uhr die Sonne scheint, wollte ich alles daran setzen, die Filmkulisse genau in diesem Zustand vorzufinden. Ein reines Glücksspiel, schließlich ist Hobbiton nicht wie viele andere Filmkulissen in einem Filmstudio erbaut, sondern unter freiem Himmel. Hatte ich bereits erwähnt, dass es im Dezember andauernd regnete? Eben das erschwerte die Entscheidung, einen Tag für den Besuch festzulegen, zumal Tickets eine Woche im Voraus erworben werden mussten. Auf gut Glück buchte ich mein Ticket für den 21. Dezember und konnte jetzt nur noch eins tun: Daumen drücken und auf Sonne hoffen.
Am Morgen des 21. Dezembers öffnete ich aufgeregt die Jalousien meines Zimmers und konnte meinen Augen kaum glauben, als tatsächlich die Sonne durchs Fenster strahlte. Irgendjemand da oben meinte es gut mit mir. Nun stand einem perfekten Tag in Hobbiton nichts mehr im Wege. Der Ort, wo Hobbiton erbaut wurde, heißt Matamata. Dort fuhr mich Cass in den frühen Morgenstunden hin. Meine Tour ging um 8:30 Uhr los und eine kleine Gruppe von Leuten inklusive Guide versammelten sich vor einem Tourbus, der uns zu dem Movie Set bringen sollte. Gute 15 Minuten fuhren wir durch die grasgrüne, hügelige Landschaft, als im Bus plötzlich der Soundtrack von der Herr der Ringe ertönte. Ob ich die ein oder andere Träne verdrückt habe? Vielleicht. Ich war in diesem Moment etwas überwältigt und einfach nur glücklich. Dieser Gemütszustand wurde nochmals verdoppelt, als wir endlich am Movie Set ankamen und den ersten Blick auf Hobbiton erhaschen konnten. Es sah so so so so schön aus! Alles war mit viel Liebe zum Detail hergerichtet: die bunten Hobbithöhlen mit ihren rauchenden Schornsteinen, die hübschen Blumen mit umherflatternden Schmetterlingen, die Wäscheleine mit der darauf im Wind flatternden Wäsche und die schlängeligen Pfade, die sich durch die grünen Hügel zogen. Es war perfekt. Auch der Tourguide machte seinen Job richtig gut. Er forderte uns zu kleinen Wissensfragen über die Filme auf (konnte ich alle beantworten, klar), nannte uns viele wissenswerte Details zum Movie Set und lies uns stets genug Zeit zum Fotos schießen. Am Ende der Tour kehrten wir ins Green Dragon, dem Hobbit Pub, ein. Ein uriges Lokal, wo einmaliges Bier verköstigt werden kann, welches ausschließlich in Hobbiton gebraut und ausgeschenkt wird. Ich weiß nicht, ob es am Bier lag oder an meiner anhaltenden Euphorie, aber ich war regelrecht auf einem High. Einem Hobbit High. Ich könnte noch viel ausschweifender über den Tag berichten, das würde aber wirklich den Rahmen sprengen und darum lasse ich an dieser Stelle lieber die Bilder für sich sprechen.
Einen kleinen Funfact zum Besuch in Hobbiton habe ich aber noch auf Lager. Während meiner Tour fand ich über den Guide heraus, dass ständig Personal für das Movie Set gesucht wird. Ob als Tourguide, als Gärtner oder für den Pub. Als ich das erfuhr, sah ich mich bereits in Hobbittracht hinter dem Tresen des Green Dragons Bier ausschenken. Ich schickte prompt eine Bewerbung an die zuständige HR-Abteilung. Aber es sollte nicht sein. Denn leider, so antwortete mir die HR-Abteilung ein paar Tage später, suchen sie ausschließlich Personal, das länger als sechs Monate am Movie Set arbeitet. Zu lange für mich. Schließlich wollte ich weiter durch Neuseeland reisen.
Ich muss wirklich sagen, dass Cass und Martin keine besseren Gasteltern hätten sein können. Sie haben mir so viele schöne Ecken von Neuseeland gezeigt, dass ich selbst erstaunt war, was ich in den kurzen vier Wochen alles gesehen und erlebt habe. Schwimmen in Wasserfällen, Besuche bei Verwandten, Testen von fragwürdigen Delikatessen (Vegemite und ich werden keine Freunde mehr), gemeinsame BBQ- und Spieleabende, Roadtrips durch Coromandel Island, unzählige Wanderausflüge, Krabbeln durch Glühwürmchenhöhlen, Besuch in Hobbiton. Meine Pläne, ab Januar auf einer Kiwifarm zu arbeiten, unterstützen sie mit größtem Eifer, sodass ich tatsächlich nach vier Wochen Adieu sagen musste und in ein neues Abenteuer aufbrach. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Liebe Jomana, man spürt wie glücklich Du bist!!! Toller Bericht - hab die ganze Zeit beim Lesen geschmunzelt. Ich freu mich jetzt schon auf den nächsten. Ganz liebe Grüße, Steffi
Hallo Jomana, fantastisch! Die Spannung, die in deinen Reiseberichten liegt, gibt mir das Gefühl dabei zu sein! Hab weiterhin eine gute Zeit, ich freue mich schon auf den nächsten Report!
Liebe Grüße Gerlinde
Vielen Dank für diesen wunderschönen Beitrag. Ich musste mir wieder ein paar Tränchen verdrücken, weil ich das so toll finde, was du alles so machst und wie du die Zeit am anderen Ende der Welt verbringst. Ich bin so stolz auf dich und Danke, dass du uns an deinem Abenteuer teilnehmen lässt.