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  • Autorenbildjomana.markau

Der Bio-Bauernhof in der Schweiz

Mit meinem Backpack auf den Schultern und einer riesen Vorfreude im Gepäck, startete ich am 13. Juni von Frankreich mit dem Zug in die Schweiz. Fünf sommerliche Wochen wollte ich dort verbringen. Die Schweiz stand auf meiner Bucket List schon immer ganz weit oben, direkt hinter Neuseeland. Bisher fehlte nur das nötige Kleingeld, denn wenn ich eines bereits vor meiner Reise in die Schweiz wusste, dann, dass das Land überdurchschnittlich schön und teuer war. Das ist einer der großen Vorteile, wenn man seine Reise über Workaway plant: man spart viel Geld, indem man für Kost und Logis anpackt und kann sich dementsprechend auch Länder wie die Schweiz leisten. Als normaler Touri hätte ich hier vielleicht eine Woche mit meinem Geldbeutel überleben können. In Urnäsch, einem beschaulichen Ort im Norden der Schweiz, wurde ich von Anita, meiner neuen Host, mit dem Auto abgeholt. Allein die Fahrt zu ihrem Haus war bereits atemberaubend. Saftige grüne Hügel, Kuhweiden und geschwungene Straßen prägten das Landschaftsbild - willkommen in der Schweiz.

Angekommen in Anitas Haus staunte ich nicht schlecht, als sie mir mein Zimmer zeigte. Nicht nur, dass ich ein wunderschönes Zimmer und eine Dusche für mich allein hatte - auch der Ausblick auf den Säntis (2.500 m) war ziemlich imposant. Meine Euphorie für das Einzelzimmer rührte daher, dass man als Volontär mit den wildesten Wohnsituationen konfrontiert wird. Sich ein schmuddeliges Bad mit 10 Leuten zu teilen oder in Doppelstockbetten zu schlafen ist an der Tagesordnung. Um es positiv zu formulieren: auf diese Weise wird man auf jeden Fall abgehärtet und ist am Ende maximal anpassungsfähig. Nichtsdestotrotz war mein kleines neues Heim in der Schweiz eine willkommene Abwechslung. Noch am selben Abend fiel ich mit dem Bimmeln der Kuhglocken in den Schlaf.

Am nächsten Tag wurde ich von Anita über ihren Bio-Bauernhof geführt. Kühe, Schafe, Hühner, Hunde, Katzen und Enten - hier kam jeder Tierfreund auf seine Kosten. Zumal die Katzen vor ein paar Wochen Junge geworfen hatten und auf dem Heuboden herumtollten. Als bekennender Hundefreund beschränkte sich mein Interesse an Katzen auf das Minimum, aber das sollte sich während meiner Zeit auf dem Bauernhof ändern. Die Kleinen waren so so süß! Als mir Anita dann noch erklärte, dass eine meiner Aufgaben sei, die Katzenbabys zu sozialisieren, damit sie zutraulich werden und später ein neues zu Hause finden, war ich endgültig davon überzeugt: hier bin ich richtig. Neben der Katzenbespaßung bestand meine Aufgabe außerdem darin, jeden Morgen die Eier der insgesamt 500 Hühner zu sammeln und zu putzen. Wer sich diese Aufgabe wie eine tägliche Ostereiersuche vorstellt, den muss ich leider enttäuschen. Die Hennen legten im Stall ihre Eier auf ein Eiersammelband, welches direkt vor den Nestern eingebaut war - dieses Band wurde anschließend manuell betätigt, sodass alle Eier aus dem Stall hinausbefördert wurden. Tagsüber durften die Hühner den Auslauf im Grünen genießen. An besonders warmen Sommertagen spazierte ich mit den Hunden für eine kleine Abkühlung zum Bach hinab ins Tal. Manchmal wanderte ich auch gemeinsam mit Anita und den Hunden durch die Berge - jenachdem wie viel auf dem Hof zu tun war.


An meinem ersten freien Tag wollte ich mit dem Fahrrad die Gegend erkunden. Ich vermisste das Radfahren und dachte es wäre eine gute Idee ins etwa 20 Kilometer entfernte St. Gallen zu radeln. Der Hinweg gestaltete sich easy und ich genoss die stetige Abfahrt, den angenehmen Fahrtwind und den traumhaften Ausblick auf die Berge. In meinem Kopf plante ich bereits die nächste Radtour gemeinsam mit meiner Familie durch die Schweiz, so gut gefiel es mir. Nachdem ich mich ein paar Stunden in St. Gallen aufgehalten hatte, war es an der Zeit, den Rückweg anzutreten. Leichter gesagt als getan. So sehr ich mich beim Hinweg über die stetige Abfahrt gefreut hatte, so sehr verfluchte ich in diesem Moment die Berge und das 40 Jahre alte Fahrrad mit seinen 3 Gängen. Besonders ärgerten mich die Leute, die mit einer beschwingten Leichtigkeit auf ihren E-Bikes an mir vorbeifuhren und mich bei meinem Versuch, die Berge zu bezwingen, anfeuerten. Keuchend und schwitzend versuchte ich mir ein Lächeln abzuringen, wünschte mir aber manchmal insgeheim, der Akku des vorbeifahrenden E-Bikes würde in dem Moment den Geist aufgeben. Zumindest hätte ich dann einen Leidensgenossen an meiner Seite gehabt. Am Ende quälte ich mich die 20 längsten Kilometer meines Lebens die Berge hinauf und war über jede Wasserquelle mehr als dankbar, die ich auf meinem Weg finden konnte. Das Fahrrad verbannte ich nach dieser Erfahrung wieder in Anitas Garage - ebenso den Gedanken an eine Radtour mit meiner Familie durch die Schweiz.


Übrigens: Anita bietet nicht nur Volontären einen Platz in ihrem Haus, sondern auch Leuten, die eine Burn-out Prophylaxe machen wollen. Wer sich also eine ruhige Auszeit an einem idyllischen Ort nehmen will, der kann sich gern mal auf Anitas Website mehuna.ch informieren.





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