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  • Autorenbildjomana.markau

Die Tierschutz-Ranch auf Sizilien

Während meiner kleinen Weihnachts- und Silvesterauszeit in Deutschland organisierte ich bereits meinen nächsten Farm Stay. Auch dieses Mal sollte es nach Italien, genauer gesagt nach Sizilien, gehen. Da ich mir nach meinem letzten Farm Stay auf Sizilien fest vorgenommen hatte als nächstes ein Projekt mit Tieren anzugehen, gab ich bei meiner Recherche in Deutscand mein Bestes. Mein großer Traum war es mit Straßenhunden zu arbeiten, da ich so meine Liebe für Hunde ausleben könnte. Über die Backpacker-Plattform Workaway wurde ich schließlich fündig. Eine Tierschutz-Ranch an der Ostküste Siziliens suchte ab Mitte Januar für einen Monat dringend Hilfe. Am Telefon sprach ich mich mit der Inhaberin Natalie ab und sie erzählte mir, dass ich die alleinige Verantwortung für 20 Shelter Hunde hätte. Klang nach viel Verantwortung aber ich wollte genau das. Es war perfekt. Also buchte ich meinen Flug und ab ging es nach Sizilien - Runde Nummer 2.


Es war recht spät am Abend als mich Natalie mit ihrem Partner Agostino vom Bahnhof in Fiumefreddo abholten. Eine kleine, zottelige Dame stieg aus dem Auto aus, um mich zu begrüßen. Es war Natalie, die direkt meinen Rucksack entgegennahm und ihn in dem sehr sehr sehr klapprigen alten Auto verstaute. Ich machte es mir neben ein paar leeren Hundefutterbeuteln und Plastikflaschen bequem und los ging die abenteuerliche Fahrt mit dem quietschenden Vehikel. Mir wurde also direkt in den ersten 5 Minuten bei meinen neuen Hosts bewusst: Sauberkeit ist hier eher zweitrangig. Als die beiden mich in Calatabiano im Stadthäuschen absetzten, wurde ich wiederum positiv überrascht. Alles machte einen ordentlichen Eindruck und ich hatte mein eigenes Zimmer mit Doppelbett, was nicht der Normalfall bei Workaway ist. In dem kleinen Haus in Calatabiano sollte ich für meine Zeit auf Sizilien unterkommen. Die New Ranch Farm war nur drei Kilometer von meiner Unterkunft entfernt - ich konnte also easy jeden Morgen dort hinradelnd.

Am nächsten Morgen trat ich fröhlich in die Pedale und war schon sehr euphorisch die Farm mit all seinen vierbeinigen Bewohnern kennenzulernen. Bereits der Hinweg war einmalig - ich hatte unentwegt einen unglaublichen Blick auf den Ätna, in den ich mich ja bereits bei meiner ersten Reise nach Sizilien verguckt hatte. Wer meinen ersten Blog Post über Sizilien verpasst hat, kann ihn sich hier gern durchlesen.


Nach gut 15 Minuten kam ich vor dem großen Tor der New Ranch an, die einen Steinwurf vom Meer entfernt lag. Ich wurde direkt überschwänglich von den fünf Hofhunden begrüßt - dem Rudelführer Mogli, der krebskranken Donna, der scheuen Julia, der verschmusten Kicka und der dreibeinigen Bianca. Alle fünf Hofhunde hatten mehr oder weniger Glück im Unglück. Sie kamen ursprünglich als Findelkinder bzw. Straßenhunde zur New Ranch und da sie als besonders schwer vermittelbar galten, nahm Natalie sie alle als ihre eigenen Hunde bei sich auf. So können die fünf auf dem zwei Hektar großen Land ein unbeschwertes Hundeleben führen. Gleiches gilt für die fünf Pferde, drei Schweinchen, zwei Ziegen und unzähligen Hühner, die ebenso auf der Farm leben. Sie wurden allesamt entweder in Natalies vertrauensvolle Hände abgegeben oder von Schlachthöfen gerettet.

Doch schließlich war ich nicht zum Pferde- oder Schweinchenhüten zur New Ranch gekommen. Ich war ganz gespannt die 20 Straßenhunde kennenzulernen, um die ich mich von nun an kümmern würde. Gemeinsam mit Natalie machte ich eine kleine Rundtour über das von Palmen gesäumte Grundstück, welches einen einmaligen Blick auf den Ätna preisgab. Ich konnte mich einfach nicht an diesem Anblick sattsehen.

Einmaliger Blick von der New Ranch auf den Ätna.

Es ging vorbei an den Stallungen und den Gehegen für die Schweinchen und Hühner. Schließlich erreichten wir eine Tür, die zu einem weiteren, abgetrennten Bereich führte - dem Bereich in welchem die Straßenhunde gehalten werden. Jeder Hund hatte seine eigene 3x3 Meter große Box, manche Hunde wurden gemeinsam in einer Box gehalten, wenn sie sich gut verstanden. Es war zunächst ein eher beklemmendes Gefühl die Hunde in ihren kleinen Häuschen sitzen zu sehen, wohl wissend, dass manche bereits seit über 16 Jahren, also ein ganzes Hundeleben, dort wohnten. Einmal am Tag bekam jeder Hund für gut eine Stunde Auslauf. In dieser Zeit wurde die Box so gut es geht gereinigt, Wasser und Futter aufgefüllt. Einige Hunde waren sehr schüchtern und wollten nicht einmal Gassi gehen, andere waren sehr menschenbezogen und freuten sich über jede Gassirunde am Strand.


Noch bevor ich zur New Ranch aufbrach, warnten mich meine Eltern „Verliebe dich bloß nicht in einen der Hunde. Wir sehen dich schon mit einem zurückkommen.“ Die weise Voraussicht der Eltern. Denn natürlich kam es so, dass ich mich in einen der Hunde Hals über Kopf verliebte. Und nun: alle, die einen Hundewunsch haben oder jemanden kennen, der einen Hundewunsch hat - aufgepasst! Denn er ist immer noch zu haben.

Mit Toto am Strand.

Sein Name ist Toto, er ist 11 Monate alt, hat unglaublich weiches, cremefarbenes Fell, dunkle, freundliche Augen und ist der größte Menschenfreund überhaupt. Auch seine vier süßen Geschwister sind noch auf der New Ranch. Das Muttertier wurde vor gut einem Jahr im hochschwangeren Zustand vor der Farm ausgesetzt und Natalie nahm sie bei sich auf. Vier der insgesamt neun Welpen konnte sie bereits vermitteln. Toto, Paco, Matteo, Etna und Kaya sind nach wie vor im Shelter und warten auf eine Familie.  

Bereits nach gut vier Tagen habe ich vor allem Toto ein wenig zu sehr in mein Herz geschlossen. Ich wusste, dass es für uns beide unglücklich enden wird, da ich durch meine lange Reise nicht in der Lage war einen Hund zu adoptieren. Aber wir gewöhnten uns dennoch sehr aneinander. Jeden Morgen wenn ich rief „Wer kommt in meine Arme?“ kam er schnurstracks in meine Arme gelaufen und genoss die ausgiebigen Streicheleinheiten.

Wer kommt in meine Arme? Totooo!

Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ich Toto im Hunde Shelter zurücklassen müsste, also startete ich eine subtile Adoptionsoffensive bei meinen Eltern - schickte Bilder und Videos und erzählte Non Stop von ihm. Schweren Herzens mussten auch sie passen, da sie durch ihren Job und die vielen Reisen sehr eingespannt waren. Ein Hund war gerade einfach undenkbar. Da meine Familie zu dem Zeitpunkt aber genauso sehr in Totos Notlage involviert war, halfen sie, wo sie nur konnten, um ihn innerhalb Deutschlands zu vermitteln - Flyer wurden ausgehangen, Telefonate geführt und Bekannte an jeder Ecke angesprochen. Leider vergebens. Obwohl es mein selbsternanntes Ziel war eine Adoption in Gang zu bringen, gelang es mir bis zum Schluss nicht. Ich verlängerte meinen Aufenthalt sogar von einen auf zwei Monate, weil ich es einfach nicht einsehen wollte, dass es niemanden gab, der Toto bei sich aufnehmen wollte. Dieser ganze Prozess und das Bangen um einen Adoptionsplatz führte mir die kraftraubende Arbeit vor Augen, die Natalie tagtäglich vollbrachte. Ihr Lebenswerk war es Hunde von der Straße aufzupeppeln, im besten Fall zu vermitteln oder im schlimmsten Fall ein Leben lang im Shelter zu behalten. Innerhalb der vergangenen 16 Jahre vermittelte Natalie erfolgreich bereits über 900 Hunde. Das muss man erst einmal stemmen. Die Arbeit mit den Hunden bedeutet für sie und Agostino vor allem, sich hinten anzustellen und das Wohl der Hunde immer in den Vordergrund zu stellen und ständig auf Spendengelder zu hoffen. Im Gegensatz zu einem staatlichen Tierheim bekommen Natalie und Agostino keine Fördergelder sondern existieren auf Grundlage von Spenden. Im Sommer bieten sie außerdem Reitstunden an und nehmen Camper auf ihrer Farm auf, für die sie Stellplätze ausgebaut haben. Das Geld fließt wiederum in die Verpflegung der Tiere. Wer also einmal in Sizilien mit seinem Camper sein sollte, dem kann ich die New Ranch nur ans Herz legen. Von hier aus hat man wirklich den allerbesten Blick auf den Ätna und tut gleichzeitig mit einer kleinen Spende etwas gutes für die Tiere.

Adresse: New Ranch Club, ctr. Baronessa, 95011 Calatabiano CT, Italien; GPS: 37°48’26.3″N 15°14’56.9″E


Wer jetzt denkt die zwei Monate auf der Farm wären ganz kuschelig ohne Zwischenfall vorbeigezogen, der sollte jetzt seine Ohren spitzen. Denn natürlich ist es sehr naiv und blauäugig zu denken, dass die Arbeit mit Tieren nicht auch seine Tücken hat. Nachdem ich gut eine Woche lang alleine für die Hunde im Shelter verantwortlich war und mich um sie kümmerte, kamen zwei neue Volontäre auf die New Ranch und leisteten mir Gesellschaft bei der Hundepflege. Wir waren nun zu dritt - Georgia (50 Jahre alt) aus Neuseeland, Jenna (18 Jahre alt) aus Deutschland und ich. Es war schön neben der tierischen Gesellschaft auch ein paar Menschen um mich herum zu haben, vor allem, da wir uns sehr gut verstanden. Jedoch war Georgia über die Zustände der Hunde erschüttert und hätte am liebsten von Grund auf alles verändert. Jenna und ich hingegen versuchten die Gegebenheiten vor Ort hinzunehmen, arbeiteten eher daran eine Adoption herbeizuführen und gaben den Tieren viel Liebe. Ohne Spendengelder konnte man schließlich auch nicht viel an den Umständen vor Ort ändern. An ihrem zweiten Tag auf der Farm startete Georgia ein Sozialisierungsversuch zweier Hunde - genauer gesagt zweier Rüden, also männliche Hunde. Wer sich mit Hunden auskennt weiß, dass Rüden ein sehr dominantes Verhalten an den Tag legen können. Vor allem wenn sie, wie in diesem Fall, nicht kastriert sind. Georgia ließ die beiden Tiere einander beschnuppern und es kam wie es kommen musste: auf einmal wurde es laut und die zwei Rüden verbissen sich ineinander - sie wollten untereinander austragen, wer im Shelter das Sagen hat. Als ich das Dilemma sah versuchte ich zu intervenieren und die zwei Streithähne voneinander zu trennen. Mir gingen dabei in dem Moment leider nicht die warnenden Worte von Natalie im Kopf herum, die stetig zu uns sagte „Im Falle eines Hundekampfes, nie mit Händen oder Füßen eingreifen, schnappt euch lieber eine volle Gießkanne.“ Was tat ich im Eifer des Gefechts? Ich versuchte die beiden Hunde mit meinen Händen auseinander zu bringen. Ja, nicht meine reifste Leistung. Das sollte ich Sekunden später deutlich zu spüren bekommen. Denn in einer solchen Ausnahmesituation kennt ein Hund weder Freund noch Feind und so schnappte einer der beiden nach meiner Hand. Mit der Folge, dass diese wie wild zu bluten begann. In Schockstarre lief ich zum nächsten Wasserhahn und versuchte die Blutung zu stillen, was eher mäßig klappte. Vor allem, als ich die Hautfetzen an meinen Finger runterhängen sah, wurde mir nochmal ganz anders zumute. Zumindest schaffe es Georgia in der Zeit die beiden Hunde voneinander zu trennen ohne, dass einer der beiden schwerwiegend verletzt wurde, was tatsächlich beinahe an ein Wunder grenzte. Also schnappten Natalie und Agostino mich, setzten mich in ihr Auto und ab ging es zum nächsten Krankenhaus. Leider war dieses aufgrund eines COVID-Falls geschlossen, also ging es zur nächsten Hausarztpraxis, die ebenfalls geschlossen war - nicht wegen eines COVID-Falls, aber weil der Arzt gerade zu dem Zeitpunkt Siesta machte. Gar nicht so leicht in Italien medizinisch versorgt zu werden. Wir gaben uns geschlagen und fuhren zurück auf die Ranch, wo Jenna nun ihr Debüt als medizinische Fachkraft gab.

Medizinische Erstversorgung á la Jenna.

Ein bisschen Desinfektionsmittel hier, ein wenig Mullbinde da - fertig war die Wundversorgung. Aber plötzlich machte mich Georgia auf eine klitzekleine Kleinigkeit aufmerksam, an die ich in Deutschland keinen Gedanken verschwendet hatte. Bei Bisswunden ist es wichtig gegen Tetanus, also Wundstarrkrampf, geimpft zu sein. Da ich mir durch die Pandemie angewöhnt hatte meinen Impfausweis stets bei mir zu tragen, reichte ein schneller Blick ins gelbe Büchlein, um festzustellen, dass meine letzte Tetanus Impfung beachtliche 20 Jahre her war. Huch. Das war definitiv beunruhigend. Zum Glück können gewisse Dinge in Italien sehr unbürokratisch gelöst werden und so reichte ein kurzer Anruf in der Apotheke seitens Natalie, um eine Tetanus Impfung zu bestellen. Mit dieser fuhren wir anschließend zum Hausarzt, nachdem er seine Siesta erfolgreich beendet hatte. Dieser fand mich entweder so mitleidserregend oder sympathisch, dass er nicht einen Penny für seine Leistung von mir haben wollte. Na immerhin etwas. Also an alle Tierfreunde da draußen: Vertrauen in die Tiere ist gut, Kontrolle eures Impfausweises ist besser.


Falls ihr euch jetzt fragt, was aus Georgia wurde - sie ist nach drei Tagen wieder abgereist. Meine Hand verheilte zusehends Tag für Tag und die kleinen, verbleibenden Narben an der Hand trage ich mit Stolz. Während andere Leute sich ein kleines Hundetattoo als Andenken stechen lassen würden, kehre ich mit Narben auf meiner Hand zurück, die mich diese Zeit niemals vergessen lassen. Mein Papa wird es freuen - das Hundetattoo lässt noch auf sich warten.

Jenna und ich beim Gassi mit Etna und Kaya.

Wie kann man die New Ranch unterstützen?


Im besten Fall durch die Adoption von einem Hund! So schenkt man ihm die Chance auf ein schönes, unbeschwertes Leben mit viel Liebe. Diese Hunde sind aktuell die Bewohner auf der New Ranch und warten auf eine tolle Familie:

Auf dem Instagram Kanal der New Ranch werden die Hunde auch nochmal vorgestellt. Wenn ihr einen Hundewunsch habt, euch jedoch keiner der Hunde der New Ranch gefällt, dann behaltet immer im Kopf: Adopt, don’t shop! Guckt euch in eurem Tierheim nach einem passenden Vierbeiner um oder schaut bei anderen Tierschutzorganisationen vorbei. Es gibt unendlich viele Hunde, die ein zu Hause suchen und für die ihr der perfect match wärt!


Für alle die nicht mal ebenso einen Hund adoptieren können, aber 5 Euro übrig haben, sind gerne dazu aufgerufen an folgendes Spendenkonto zu überweisen:


New Ranch Club, Natala Bonsignore, Sparkasse Nürnberg, IBAN: DE71 7605 0101 0004 6761 93, BIC: SSKNDE77XXX




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