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  • AutorenbildJomana

Olivenernte in der Toskana

Noch während meiner Zeit in Deutschland, als ich mich mit Freunden und Familie über die bevorstehende Reise austauschte, wurde ich bei einer Geschichte besonders hellhörig. Eine Kollegin erzählte mir davon, wie ihr Mann in Griechenland spontan den Familienurlaub um eine Woche verlängerte, um bei der Olivenernte im Oktober anzupacken. Er hatte vor Ort eine Olivenfarm gefunden und den Farmer gefragt, ob es möglich sei bei der Ernte zu helfen. Urlaub mal anders. Das klang gut. Die Erzählungen meiner Kollegin waren so bunt und lebendig, dass ich direkt Feuer gefangen hatte und auf einmal wollte ich nichts als Oliven ernten. Ich sah mich praktisch schon mit Strohhut unter dem Olivenbaum Siesta machen. Und ich hatte Glück: die Olivenernte in Italien findet immer zwischen Oktober und November statt - das fiel genau in meine Abreisezeit. Nun musste ich nur noch eine Farm finden. Die Suche war dank der App "Workaway" auch nicht schwierig und so hatte ich nach kurzer Zeit schon vor meiner Abreise eine sichere Zusage von einer Olivenfarm bei Montalcino in der wunderschönen Toskana.


Zu meiner Erfahrung mit "Workaway" werde ich später einen gesonderten Blogbeitrag schreiben. Darüber gibt es so so so viel zu erzählen und für den ein oder anderen Reiselustigen ist es sicherlich auch eine spannende und kostengünstige Reisevariante.

"Dolcetto o scherzetto"

Nachdem ich am 31. Oktober sicher mit dem Flugzeug in Pisa gelandet war, ging die Reise für mich direkt mit dem Zug bis nach Buonconvento weiter. Ein kleiner, normalerweise verschlafener Ort. Von dort wollte mich der Farmer abholen.

Da ich noch ein wenig Zeit hatte beschloss ich eine Erkundungstour durch das Städtchen zu machen.

An diesem Tag tummelte es dort nur so von kleinen Hexen, Rittern, Cowboys und Geistern - es war Halloween.

„Dolcetto o scherzetto“ tönte es durch die Straßen. Erste Lektion Italienisch: check!


Es war bereits dunkel als mich der Farmer schließlich abholte. Ich konnte also bei der 1-stündigen Fahrt zu der Farm leider keine Blick auf die schöne hügelige Landschaft erhaschen. Aber es gab etwas anderes, worauf ich mich freuen durfte. Wie mir der Farmer erzählte bereiteten die anderen 10 Volontäre, die bereits vor Ort waren, just in dem Moment eine Halloween Party vor. Genauer genommen eine Pizza Halloween Party. Wie sollte es auch anders sein. Eine Stunde und eine holprige Anfahrt später (ich musste sogar teilweise aussteigen und nebenher laufen, weil es das Auto sonst nicht geschafft hätte) kamen wir auf der abgelegenen Farm an. Der Empfang war laut, überschwänglich und ebenso herzlich. Mir wurde von der Tochter des Farmers mein Zimmer gezeigt, welches ich mir für die nächsten anderthalb Wochen mit einer anderen deutschen Volontärin teilen würde. Gepäck abgestellt und ab ging es in die Küche/Wohnzimmer, wo die Pizza schon bereit stand, laut Musik gehört, gelacht und geredet wurde. Auch wenn es mich immer ein wenig Überwindung kostet sich in eine so große Gruppe direkt zu integrieren, so fiel es mir in diesem Fall kaum schwer. Alle waren super aufgeschlossen und interessiert. Unterhalten wurde sich in englisch. Italienisch hörte ich übrigens über die gesamte Olivenernte kaum - es gab schlichtweg keine italienischen Volontäre oder Familienmitglieder. Der Farmer selbst kam aus Österreich und hatte die Farm von seiner österreichischen Mutter geerbt, die sie als Familiendomizil und Hobbyfarm erworben hatte. Und auch alle Anderen kamen aus den unterschiedlichsten Ländern: Kanada, Mexiko, Belgien, England und Deutschland. „Dolcetto o scherzetto“ sollte also bis auf weiteres auch meine einzige italienische Lektion bleiben. Sei’s drum. Darüber machte ich mir in dem Moment wenige Gedanken. Hauptsache die anderen Volontäre waren cool drauf - und so schien es auf jeden Fall auf den ersten Blick. Später stießen wir noch mit ein paar Gläsern/Flaschen Brunello an. Dieser Wein wird ebenso wie Olivenöl von dem Farmer selbst hergestellt.


Zur kurzen Aufklärung für alle Weinbanausen da draußen (wie ich es einer bin): Brunello ist für die Region Montalcino/Montepulciano bekannt und wird unter den Weinkennern als einer der exquisitesten Weinsorten Italiens gehandelt. Um seinen Wein mit einem Brunello-Etikett versehen zu dürfen, muss man allerdings eine Lizenz erwerben. Da der Farmer seinen Brunello aber nicht vertreibt sondern nur als Hobby für Freunde, Bekannte und Familie herstellt, darf er seinen Wein ganz offiziell und um ganz genau zu sein gar nicht Brunello nennen. Er sagte uns aber, dass sein Wein mit demselben Verfahren, wie dem eines echten Brunellos hergestellt und fermentiert wird. Bedeutet: offiziell ist es kein Brunello, inoffiziell ist es ein Brunello, den wir tranken.


Leicht beschwipst ließen wir unsere kleine Halloweenparty (die übrigens wenig mit verkleiden sondern vielmehr mit dem Verzehr von Pizza und Wein zu tun hatte) ausklingen, indem wir noch untereinander absprachen, welche zwei Personen für die morgige Zubereitung des Frühstücks zuständig sind. Und anschließend ging es für mich todmüde ins Bett.

Ausblick von der Terrasse.

Am nächsten Morgen durfte ich zum ersten Mal die Schönheit dieses Ortes bei Tageslicht bewundern. Ein Schritt auf die Terrasse bei strahlendem Sonnenschein reichte aus, um mich direkt in das Haus, den Ausblick und die Atmosphäre zu verlieben.

Man hatte einen unglaublichen Ausblick in die malerische Landschaft und zwischen den Hügeln erkannte man ganz leicht die Umrisse eines kleinen Ortes - Castelnuovo dell’Abate. Dort führte von der Farm aus auch ein kleiner Wanderweg hin, wie der Farmer uns erzählte. Wir nahmen uns direkt vor an einem freien Tag mal gemeinsam dort hinzuwandern.




Frühstück in großer Runde.

Ein weiteres Highlight: der große, reichlich gedeckte Frühstückstisch auf der Terrasse im Sonnenschein.

Am Frühstückstisch erklärte uns der Farmer, dass es eine Tradition sei, jeden Morgen eine „how-do-you-feel-round“ zu machen - Jeder sollte also erzählen, wie er sich fühlte. Klingt vielleicht erst mal albern und komisch, ist aber nach einer Weile ganz schön. Vor allem, um sich besser kennenzulernen und es verleitete uns in der gesamten Zeit auch zu vielen philosophischen Gesprächen. Ist also auch eine nette Idee für den Frühstückstisch in den eigenen vier Wänden. Außerdem besprachen wir am Frühstückstisch den Kochplan für den jeweiligen Tag. Wer kocht Mittag, wer kümmert sich ums Abendbrot, welche Freiwilligen würden abwaschen? All das wurde in der Gruppe abgesprochen und diskutiert.


Gut gestärkt von guten Gesprächen und dem leckeren Essen ging es gegen 9 Uhr los in den Olivenhain. Endlich! Ich konnte es kaum erwarten. Insgesamt gab es 400 Olivenbäume auf dem Grundstück. Ein paar wurden bereits vor meiner Ankunft abgeerntet. Aber um die restlichen 200 Stück müssten wir uns noch kümmern. Ausgerüstet wurden wir mit großen Netzen, die wir unter die Olivenbäume legten, um später die geernteten Oliven darin aufzusammeln. Das Netz auszubreiten war immer der erste (und um ehrlich zu sein auch lästigste) Schritt, denn zuvor musste man häufig noch die Dornenbüsche, die am Stamm wucherten, trimmen. Erst dann konnten die Netze ausgebreitet werden.

In den Wipfeln des Olivenbaums.

Auch mit am Start: selbstgebaute, alte, ellenlange Holzleitern, die so monströs und schwer waren, dass wir sie nur mit der Manpower von zwei Personen tragen konnten. Etwas instabil und wacklig sahen die Teile auch aus. Da sich zunächst keiner von den Volontären traute die Leitern aufzustellen, ließen wir erst mal den Farmer die 4-Meter-Monstren im Olivenbaum platzieren. Das allein war ein Kraftakt. Etwas skeptisch erklomm jeder Volontär eine Leiter - Stufe für Stufe. Schien bombenfest zu sitzen. Wackelig war es im Wipfel natürlich trotzdem. Die Leute mit Höhenangst durften sich um den unteren Part der Olivenbäume kümmern.


Das traditionelle Erntewerkzeug: eine Handharke.

Geerntet wurde auf die traditionelle Weise: mit Harken. Man „kämmt“ damit die einzelnen Zweige des Baumes so, dass die Oliven hinunter in das ausgebreitete Netz fallen. Während wir alle fröhlich vor uns hin ernteten fehlte es uns nicht an Gesprächsstoff. Dadurch, dass wir fast alle aus unterschiedlichen Kulturkreisen kamen, gab es immer etwas zu erzählen. Und anscheinend waren wir alle schon in Vorweihnachtsstimmung, denn besonders beliebt waren alle Fragen rund um das Thema Weihnachtstraditionen. Um 11 Uhr brachte uns der Farmer Kekse und Café zur Stärkung. Diese Coffee Break wurde in dieser Woche zu unserem Ritual. Wir setzten uns unter einen großen Olivenbaum, tranken Café und genossen die Sonnenstrahlen. Da hatte ich also meine Siesta unter dem Olivenbaum.

Nach der kleinen Pause mussten die zwei Volontäre, die sich dazu bereit erklärt hatten Mittagessen zu kochen, auch schon in die Küche verschwinden und den Lunch vorbereiten.

Lunch's ready!

Kochen für 12 Leute? Für viele von uns Premiere. Da ging es in der kleinen rustikalen Küche oftmals drunter und drüber. Währenddessen ernteten die anderen 10 Leute im Olivenhain weiter bis es vom Haus gröhlte „LUNCH’S REAAADY“. Da wurden natürlich alle Arbeitsgeräte sofort stehen und fallen gelassen. Auch zum Mittag saßen wir wieder auf der schönen Terrasse und durften die kulinarischen Kreationen der zwei Volontäre verköstigen. Nach dem üppigen Mittag ging es für weitere drei bis vier Stunden nochmals in die Olivenbäume bis die Sonne unterging. Sobald die Sonne am Horizont verschwunden war, wurde es auch direkt ziemlich frisch, sodass wir uns

erst mal an dem offenen Kaminfeuer im Haus aufwärmen mussten. Wir setzten uns alle im Halbkreis vor das Feuer. Ein Gläschen selfmade Brunello dazu - perfekt.

Und in der Küche brutzelten schon die nächsten zwei Volontäre das Abendessen. Ja, schon wieder essen - aber wir hatten alle nach der körperlichen Arbeit auch mehr Hunger als gewöhnlich. Man verbraucht halt bei der Erntearbeit ein paar mehr Kalorien als auf einem Bürostuhl.



So oder sehr ähnlich verliefen die anderthalb Wochen auf der Farm. Wir wuchsen als Gruppe extrem schnell und sehr eng zusammen, sodass wir es kaum glauben konnten, dass wir uns erst ein paar Tage kannten. Besonders ein Event hatte uns als Gruppe sehr eng zusammengeschweißt. Nachdem wir fünf Tage fleißig geerntet hatten und der Farmer die gute Stimmung und Arbeitsmoral aufrecht erhalten wollte, beschloss er mit uns allen am Abend ein Lagerfeuer im Garten zu machen. Alle waren im wahrsten Sinne des Wortes Feuer und Flamme für die Idee.

Lagerfeuer und das legendäre "German Stockbrot".

Es wurden rasch trockene Olivenäste zusammengesammelt. Und welche Verantwortung trägt man als Deutscher bei so einem Lagerfeuer? Man kümmert sich um’s Stockbrot. Tatsächlich kannte „The German Stockbrot“ niemand der Volontäre und diese brillante Idee eines am Stock umwickelten Brotteiges stieß auf allgemeine Begeisterung. Die deutsche Backkunst wurde sehr bewundert - es war von „Mindblow“ die Rede. Als wir mit unserem Stockbrot ums Lagerfeuer saßen und über Gott und die Welt redeten, kam jemand plötzlich auf die Idee mit dem Schlafsack unter den Sternen zu schlafen. Darauf hatte erst keiner wirklich Lust. Viel zu unbequem, zu kalt und dann noch die Skorpione und Spinnen - ne, lass mal. Doch irgendwann schaukelte sich das Ganze so hoch, dass wir nach einer halben Stunde unsere Schlafsäcke und Isomatten holten. Es war besiegelt: wir schliefen in dieser Nacht alle draußen. Als wir in den Schlafsack schlüpften sagte jeder noch „Gute Nacht“ in seiner jeweiligen Landessprache und dann wurde geschlafen. Am nächsten Morgen waren alle sehr erleichtert: wir wurden von Skorpionen & Co. verschont. Es war einfach eine sehr friedliche Nacht und ein noch entspannterer Morgen.


Nach anderthalb Wochen waren beinahe alle Olivenbäume abgeerntet und die Zeit des Abschieds war gekommen. Meine Reise sollte weitergehen und ebenso die der Anderen. Doch für mich war klar, dass es keinen besseren Start für meine Reise hätte geben können.

Die Oliven-Familie präsentiert ihre Olivenausbeute.

Wer nun Lust auf eine Auszeit in einem kleinen, rustikalen Ferienhäuschen zwischen den Olivenhängen in der Toskana bekommen hat, dem kann ich die Farm nur ans Herz legen. Da der Farmer nur ein paar Monate im Jahr das Haus nutzt, vermietet er es für die restliche Zeit via AirBnB. Auch wenn es sicherlich eine ganz andere Erfahrung außerhalb der Olivenerntezeit sein mag. Hier der Link: https://abnb.me/eMpzO9LpQmb





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